Heaven & Hell - die geheime Sensation
Interviews & Stories - 2009
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HEAVEN & HELL: Die „geheime“ Sensation

So sah es aus im Frühling 2007: Bei BLACK SABBATH-Fans in aller Welt schlug die Nachricht ein wie eine Bombe. Die `Mob Rules`- und `Dehumanizer`- Besetzung habe sich unter dem Namen HEAVEN & HELL wieder zusammengefunden, um für eine „Dio-Years-Best Of“ von BLACK SABBATH zwei neue Songs einzuspielen und hinterher eine Tournee zu absolvieren. Stop! Da ergaben sich haufenweise Fragen: Was heißt hier HEAVEN & HELL? Es handelt sich doch um BLACK SABBATH in der Besetzung von September 1980 bis zum 31. August 1982 und von Januar 1991 bis November 1992. Blieb nur eins: angefragt und nachgehakt bei Riff-Gott Tony Iommi. Doch bevor man den äußerst höflichen und zuvorkommenden Gitarristen, der als einziger Musiker Dauermitglied bei den legendären BLACK SABBATH ist, mit unangenehmen Fragen löchert, soll er zunächst aus dem Nähkästchen plaudern…

Tony, wie kam es zu dieser spektakulären Neuauflage mit dir, Ronnie James Dio, Geezer Butler und Vinny Appice?

„Es begann völlig unspektakulär. Während der BLACK SABBATH-Tournee 2005 saßen Geezer und ich zusammen und überlegten uns, daß es klasse wäre, auch noch einmal mit Ronnie auf Tour zu gehen. Dann sah ich Dio auf seiner letzten Konzertreise durch England nach dem Auftritt in Birmingham. Erst schaute ich mir seine Show an, und anschließend traf ich ihn backstage. Alles war sehr locker und angenehm. Wir hatten uns seit mehreren Jahren nicht gesehen, aber vom ersten Augenblick an nahm ich die guten Vibes wahr. Trotzdem ist es am Anfang nur ein Gedankenspiel gewesen, wie es so viele gibt: ’Laßt uns einfach mal wieder treffen und ein paar Shows spielen’. Dann tat sich eine Weile nichts, bis die Plattenfirma uns bat, zwei neue Tracks zum kommenden Best Of-Album beizusteuern. Dieser Gedanke gefiel uns sehr gut. Schon beim ersten Treffen mit Ronnie schrieben wir die zwei Songs und waren dabei so in Fahrt gekommen, daß wir gleich noch einen dritten Track fertig bekamen. Das fanden wir super. Bald fanden wir uns im Studio wieder, und auch dort lief es hervorragend. So führte eins zum anderen. Plötzlich stand die Idee mit der Tournee wieder im Raum, und alle waren begeistert.“

Ihr nennt eure Band jetzt HEAVEN & HELL. Das brachte natürlich viele Leute dazu, erst einmal an Bill Ward als Schlagzeuger zu denken. Mit Vinny hättet ihr die Truppe MOB RULES nennen können (allerdings gibt es ja bereits eine deutsche Band unter diesem Namen), zur Not auch DEHUMANIZER. Warum ist denn Bill nicht mit von der Partie, habt ihr ihn gar nicht gefragt?

„Aber klar doch, unsere ursprünglichen Absichten schlossen Bill sehr wohl ein. Aber dann passierten unvorhersehbare Dinge, so daß ein Line up mit Bill schließlich doch nicht zustande kam. Andererseits ist Vinny die optimale Wahl, hat er doch mit Geezer, Ronnie und mir zusammen erheblich öfter gespielt als Bill. Klar trommelte Bill das Album `Heaven And Hell` (1980) mit uns ein. Doch nach der Hälfte der anschließenden Tour mußte er aussteigen, weil er krank war. Für ihn übernahm Vinny den Platz auf dem Drumhocker. Seither verbindet sich mit diesem Line up der Gedanke an Vinny Appice. Über seine Qualitäten als Schlagzeuger braucht man ohnehin keine Worte zu verlieren. Und Vinny hat `Heaven And Hell` wahrscheinlich tausendmal öfter gespielt als Bill (lächelt). Also kann ich nur sagen, daß Vinny ein bedeutender Teil dieses Line ups ist.“

Okay, diese Entwicklung ist zu tolerieren, denn Vinnys hartes, präzises Drumming hat schon immer gut zu dem in dieser Besetzung produzierten Sound gepaßt. Aber hatte Vinny auch Einfluß auf das Songwriting der drei neuen Lieder?

„Nein, dazu gab es überhaupt keine Möglichkeit. Als Vinny hinzukam, waren die Stücke nämlich schon geschrieben.“

War zumindest Geezer daran beteiligt?

„Nein, das hat sich einfach nicht angeboten. Ronnie war extra dafür aus den Staaten nach England gekommen, und dann haben wir gemeinsam in meinem Studio gewerkelt. Wir stellten die Grundideen für die Songs zusammen, und als Vinny dazu stieß, brachten wir sie alle vier gemeinsam „in Form“. Die drei Stücke heißen: `Shadow Of The Wind`, `The Devil Cried` und `Ear In The Wall`. Es handelt sich (in dieser Reihenfolge) um einen langsamen, einen Mid-Tempo-Song und einen schnellen Track. Wer `Heaven And Hell` liebt, wird auch diese drei Tracks mögen. Ronnie, hat die Geschichten erfunden, über die er singt. Und die reimte er wieder einmal sehr raffiniert zusammen, sie sind super geworden – inhaltsreich eben, wie man es von ihm kennt. Er ließ sich von meinen Riffs inspirieren, dann legte er los. Vielleicht klappte alles so gut, weil etwas wie der Geist von `Heaven And Hell` beziehungsweise die Atmosphäre der damaligen Alben mitzuschwingen schien. Es handelt sich um ’old school writing’. Die Stücke sind sehr heavy geworden. Grundstimmung und Charisma ähneln den älteren Songs, die wir gemeinsam geschrieben haben, besonders bei `Shadow Of The Wind`. Der Sound führt allerdings weg von der damaligen Zeit. Übrigens war Ronnie auch bei den Kompositionen sehr hilfreich, sein Input war immens. Wenn ich allein dasitze und Musik schreibe, ist das eine Sache. Kommt aber jemand wie Ronnie James Dio dazu, ist es noch einmal etwas ganz anderes. Die Ideen sprudelten nur so. Und als Ronnie mit seinen großartigen Texten und melody lines ankam, konnte das Ergebnis nur noch superb werden. Und ich bin ganz sicher, daß die neuen Songs den Leuten gefallen werden.“

Allerdings handelt es sich um eine ähnliche Vorgehensweise wie bei dem `Reunion`-Album von BLACK SABBATH (1997): diverse alte Stücke (damals waren sie zumindest live neu eingespielt worden) hatte man mit zwei neuen Tracks garniert. Aber dabei blieb es auch. Das 2007, also exakt zehn Jahre später, erschienene BLACK SABBATH-Album mit Songs der Dio-Ära, das zusätzlich die drei genannten neuen Kompositionen enthält. Wäre es nicht in beiden Fällen besser gewesen, lieber ein komplettes neues Studioalbum zu veröffentlichen?

„Wahrscheinlich wäre das besser gewesen. Aber im letztgenannten Fall war die Absicht von vornherein eine andere. Die Plattenfirma hätte das Album sowieso erscheinen lassen, ob nun mit neuen Stücken oder ohne. Doch die Verantwortlichen wollten das Package durch aktuelles Material noch attraktiver machen. So waren wir gefragt, uns überhaupt erst zusammenzufinden, um diese zwei vorgesehenen Tracks, aus denen schließlich drei wurden, zu schreiben und aufzunehmen. Hätten wir vorher gewußt, wie gut das laufen würde, wäre es ohne größere Probleme möglich gewesen, ein komplettes Album zu schreiben und einzuspielen – wenn die Zeit zur Verfügung gestanden hätte, also alles etwas früher zustande gekommen wäre. Denn die Arbeit an dem neuen Material kann ich nur als pures Vergnügen bezeichnen: sich treffen, die Ideen sammeln, gemeinsam daran werkeln und schließlich alles aufnehmen. Es war echt aufregend im besten Sinne des Wortes. Nun sind erst einmal diese Tracks im Kasten, und es ist nicht ausgeschlossen, daß wir noch ein Album einspielen. Aber das hängt von verschiedenen Umständen ab, über die ich jetzt nicht spekulieren will.“

Jedoch haben die Umstände und Tony Iommi, Ronnie James Dio und Geezer Butler es gewollt: Im Frühjahr 2009 erschien das neue Studioalbum von HEAVEN & HELL mit zehn überragenden Songs unter dem Titel `The Devil You Know`.

Immerhin gibt es drei Songs, auf die viele Fans sehr gespannt sind. Werdet ihr davon auch etwas auf eurer Tournee live bringen?

„Absolut, ich denke schon. Aber an dieser Stelle möchte ich noch einmal auf das Material mit Ozzy eingehen: Damals fiel die Entscheidung, zwei brandneue Tracks auf das Album zu packen, buchstäblich in letzter Minute. Daher mußte alles unglaublich schnell passieren. Wir saßen nämlich im Studio und waren beim Mix der Aufnahmen für das `Reunion`-Album. Bis zu dieser Zeit war weder mir noch jemand anderem aus der Band die Mitteilung gemacht worden, daß die Plattenfirma an neuen Songs interessiert sei. Dann kam jemand von der Record Company und meinte, wir könnten das Album doch mit zwei unbekannten Stücken aufstocken. Eigentlich geht das nicht innerhalb kürzester Zeit, einfach so nebenbei. Aber da es nun schon einmal die Möglichkeit gab, wollte ich sie auch gern nutzen und schrieb noch im Studio, während wir an dem Live-Album arbeiteten, `Selling My Soul` und `Psycho Man`. Das ging dann wirklich sehr fix, zumal wir die Sachen auch noch einspielen mußten. Doch bei dem Set mit Dio war die Situation völlig anders: Wir waren durch nichts und niemanden gedrängt und konnten den Songs Zeit geben, zu atmen, zu reifen, sich zu entwickeln. Dadurch wurde sichergestellt, daß alles stimmt. Und ich bin sehr glücklich mit diesen Tracks.“

Also darf bei den garantiert grandiosen HEAVEN & HELL-Auftritten sogar mit neuen Stücken gerechnet werden. Wie sieht das Programm ansonsten aus? Eigentlich wäre es ja klasse, wenn ihr `Heaven And Hell` und `Mob Rules` komplett spieltet und noch ein oder zwei Stücke von `Dehumanizer` dazu kämen. Auf Ozzy-Songs könnte man wohl – vielleicht mit Ausnahme von `Paranoid` – getrost verzichten, da er erstens ebenfalls 2007 wieder auf Tour gehen wird und sich zweitens bestimmt innerhalb der nächsten Jahre noch eine Gelegenheit ergibt, BLACK SABBATH in der Urbesetzung live zu erleben.

„Genau deshalb habe ich Ronnie am gestrigen Abend angerufen. Schließlich wird es langsam Zeit, daß wir entscheiden, wie das Live-Programm aussehen soll. Es gibt so viele wirklich gute Stücke die wir in diesem Line up gespielt haben. Da fällt die Auswahl schwer. Aber zwei Alben komplett durchzuspielen, das wäre ja schon aus Zeitgründen nicht machbar. (lacht) Wir sind noch nicht sehr weit mit unserer diesbezüglichen Planung. Wir werden eine Vorauswahl treffen, und dann ergibt sich bestimmt recht kurzfristig, welche Stücke nun wirklich zu hören sein werden. Auch solche Entscheidungen müssen reifen. Ich hatte mit Ronnie schon nach unserem Songwriting und vor seinem Rückflug nach Los Angeles darüber gesprochen, ob wir ältere Stücke aus der Ozzy-Zeit hineinnehmen sollten. Dabei stellte sich heraus, daß wir beide offen für solche Möglichkeiten sind. Also haben wir die Qual der Wahl, aus einem riesigen Fundus die Lieder auswählen zu können, die es schließlich ’auf die Bühne schaffen’. Aber soweit es mich betrifft, hätte ich auch kein Problem damit, nur Stücke zu spielen, die gemeinsam mit Dio entstanden sind.“

Wißt ihr, mit welchem Keyboarder das Line up komplettiert wird? Die erste Wahl sollte doch Geoff Nicholls sein, oder?

„Genau genommen nicht. Auf `Shadow Of The Wind`, `The Devil Cries` und `Ear In The Wall` gibt es ja ohnehin gar keine Keyboards. Möglicherweise werden wir auf Ronnies Keyboarder zurückgreifen, das wäre am einfachsten.“

Habe ich das wirklich richtig verstanden, ihr wollt mit Scott Warren auf Tour gehen?

„Wahrscheinlich, ja. Um ehrlich zu sein, ich kenne ihn gar nicht. Mag sein, daß ich ihm mal irgendwo begegnet bin. Aber falls ja, kann ich mich nicht daran erinnern. Jedenfalls habe ich bei dem gestrigen Telefonat mit Ronnie auch über die Frage des Keyboarders gesprochen. Aber um ehrlich zu sein, das Problem des Tastenmannes bei BLACK SABBATH ist doch letztlich keine große Sache. Wir haben Keyboards immer bloß als Additiv zur eigentlichen Musik genutzt – im Prinzip nur, um Glocken läuten zu lassen oder ähnliches, also lediglich für die Effekte. Daher ist es nicht so wahnsinnig wichtig, wer die Tasten bedient. Aber ich möchte Scott gern kennenlernen. Ich weiß, daß er gut sein soll. Doch es ist schon wichtig, ihm vorher auch mal persönlich zu begegnen.“

Diese Einstellung zur Bedeutung des Keyboarders gibt es bei BLACK SABBATH schon seit den siebziger Jahren. Damals sagte Geezer Butler, ein Keyboarder in der Band wäre eigentlich nichts weiter als ein Techniker. Gerald Woodruffe, euer damaliger Begleitmusiker an den Tasten, war darüber wohl ziemlich sauer. Nur, mit der neuen Periode von BLACK SABBATH 1979/80 war dein Freund Geoff Nicholls in die Gruppe gekommen und blieb bis zur ersten Reunion-Tour neben dir die einzige Konstante im Line up, selbst wenn er selten als Vollmitglied gelistet war, sondern meist lediglich Gaststatus genoß. Immerhin gab es – unabhängig von seinem musikalischen Beitrag – eine gewisse Identifikation mit Geoff seitens der Fans. Deshalb war es ziemlich schade, daß er auf der BLACK SABBATH-Tournee 2005 nicht mehr mit von der Partie war, sondern statt dessen Adam Wakeman, der Sohn des YES-Keyboarders Rick Wakeman, mit dem ihr ja schon bei `Sabbath Bloody Sabbath` (1973) zusammengearbeitet hattet und der auch mal bei Ozzys Solo-Produktionen eine Rolle spielte. Nun ist Geoff wieder nicht dabei. Ist es mit der Freundschaft zwischen dir und Geoff vorbei?

„Nein, nein, keinesfalls. Adam Wakeman in den Tourtroß einzubinden, war in Wirklichkeit eine Entscheidung von Sharon (Osbourne, Ozzys Frau und Managerin, wie er immer so liebevoll sagt – Anm. d. Aut.). Sie hatte ihn sogar schon an Bord geholt, bevor wir uns entschlossen hatten, auf Tour zu gehen. Da er nun einmal dabei war, waren wir also mit ihm unterwegs. Und, wie schon gesagt, die Keyboards leisten beileibe nicht den Hauptbeitrag zu unseren Songs. Deshalb ist es letztlich auch egal gewesen, wer diese kleinen Parts spielte. Aber es war definitiv nicht meine Entscheidung, Geoff nicht einzubeziehen. Also hat das absolut nichts mit mir zu tun.“ (lacht verhalten)

In diesem Zusammenhang muß ich auf eines unserer vergangenen Gespräche und zu der Frage zurückkommen, die sehr viele Gemüter bewegt: Du hattest mir erzählt, daß die Namensrechte für BLACK SABBATH nach wie vor bei dir liegen und du sie auch niemals abtreten würdest. Demzufolge solltest du doch auch bestimmen können, wie das Stück zumindest bis hin zu den wichtigeren Nebenrollen besetzt wird. Oder hat sich an dieser Situation in den letzten Monaten irgendetwas geändert?

„Nein, es ist noch genau so, und das wird es auch bleiben.“

Was dann? Streng genommen bist du DER MANN, du bist das Riff, du bist BLACK SABBATH.

(grinst geschmeichelt) „Trotzdem stehen die Ozzy-Sachen auf einem ganz anderen Blatt. Ich werde gerade diesbezüglich immer wieder gefragt, was denn nun mit Geoff sei. Aber ich kann auch nicht um jeden Preis meine eigenen Vorstellungen durchdrücken. Ich muß auch Rücksicht darauf nehmen, was die anderen Beteiligten möchten. Und wenn jemand von ihnen mit einem bestimmten Vorschlag nicht einverstanden ist, muß das in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.“

Dennoch erscheint unter dem Aspekt, daß Du die Markenrechte an der Bandbezeichnung BLACK SABBATH besitzt, die neue Namenswahl sogar noch unverständlicher. Selbstverständlich bringt jeder, der auch nur ein bißchen in die Geschichte von Hard Rock und Heavy Metal hineingehört hat, den Namen HEAVEN & HELL aufgrund des gleichnamigen Longplayers von BLACK SABBATH aus dem Jahr 1980 in Verbindung. Dies geschieht nicht zuletzt aufgrund der Stellung, die BLACK SABBATH und DIO auch heute noch in der Szene haben. Und die Klassiker des Genres verkaufen sich bis heute in immer neuen Auflagen – mal ganz abgesehen von den Originalausgaben, hinter denen die Fans her sind wie Jagdhunde. Aber BLACK SABBATH liegen nach der Tournee des Jahres 2005 wieder auf Eis, wer weiß, wie lange. Eine neue Scheibe von dir mit Geezer, Bill und Ozzy scheint in weiter, wenn nicht gar unerreichbarer Ferne zu liegen. Außerdem ist Ozzy 2007 solistisch unterwegs. Warum also gehen HEAVEN & HELL nicht als BLACK SABBATH auf Tour?

(lächelt nachsichtig) „Wir sind nach Jahren endlich auf einem Stand angelangt, mit dem alle zufrieden sind. Warum sollte man das mutwillig zerstören? Worum geht es denn vordergründig in der Musik? Man will Spaß haben, sei es nun im Studio, auf der Bühne oder nach einem Auftritt. Dabei will man die Songs spielen, die man selbst mag. Es ist auch schön, wenn das Publikum entsprechend positiv reagiert. Die ganzen Streitigkeiten dagegen sind eigentlich nur ein Nebenprodukt, das manchmal zur Hauptsache wird. So etwas möchte ich aber nicht mehr erleben. Und außerdem: So etwas tut man einfach nicht.“

Aber du hast Sharon davon in Kenntnis gesetzt, daß es in diesem Jahr erhebliche Aktivitäten mit HEAVEN & HELL geben wird. Was hätte sie gedacht oder gesagt, wenn du ihr mitgeteilt hättest, daß ihr euch unter dem Banner BLACK SABBATH, Mark II, auf den Weg machen würdet?

(lacht laut und herzlich) „Keine Ahnung, was sie da geantwortet hätte. Ich habe ihr ja solch eine Mitteilung nicht gemacht. Aber ich denke, sie wär’ nicht sehr fröhlich gewesen, haha. Klar wäre es ’nach der Rechtslage’ möglich gewesen, als BLACK SABBATH unterwegs zu sein. Doch die Fans wissen ja sowieso, wen sie erwarten dürfen. Wenn es heißt, HEAVEN & HELL kommen, dann ist klar: das sind BLACK SABBATH. Und damit wird auch den Osbournes der nötige Respekt erwiesen. Mißverständnisse werden somit ausgeschlossen, also gibt es auch keine Probleme. Und vielleicht startet ja im nächsten Jahr wieder eine Tour mit dem anderen Line up, also mit Ozzy, Bill und Geezer. Und im Endeffekt haben wir doch in der aktuellen Besetzung nur drei Alben veröffentlicht. Auch von daher ist es okay, nicht die Pferde scheu zu machen. Sonst würde auch die ewige Fragerei kommen: Warum ist dies jetzt so, warum jenes nicht… Wie wir augenblicklich vorgehen, stiften wir dagegen keinerlei Verwirrung. Es war eindeutig die richtige Entscheidung, als HEAVEN & HELL aufzutreten.“

Eine ganz andere Sache ist die Nachfrage von ganzen Fan-Armeen nach altem Live-Material. Der wahrscheinlich älteste bekannte Mitschnitt stammt aus dem schottischen Dumfries im Jahr 1969. Irgendwann 2005 war im Internet einer der damals aufgenommenen Songs zu hören, aber dann verlief die Sache wieder im Sande. Kennst du diese Aufnahmen?

„Ja, ich habe einiges davon gehört. Es gibt ja massig Aufnahmen, und oft kommen auch Leute zu mir, die irgendwas aus ihrem Keller ausgegraben haben und sagen: ’Ich habe euch vor 35 Jahren bei der Show dort und dort aufgenommen. Hör’ dir das mal an.’ Aber das ist meist nicht so toll.“

Du mußt doch selbst ein riesiges Schallarchiv mit BLACK SABBATH-Mitschnitten besitzen. Wollt ihr das nicht mal auf CD herausbringen?

„Selbstverständlich habe ich massig Tapes aus lange vergangener Zeit. Aber ich würde niemals auf die Idee kommen, sie zu veröffentlichen. Wenn ich so etwas planen würde, müßten mir dafür schon Aufnahmen in erheblich besserer Qualität zur Verfügung stehen als von diesen grauenvollen Kassettenrecordern der ersten Generation.“

Aber es gibt doch Live-Bänder in guter Qualität. Man denke nur an die Philadelphia-Aufnahmen aus dem Jahr 1975, die auf dem Doppelalbum `Past Lives` (2002) veröffentlicht wurden. Mit ein wenig mehr Engagement wäre es möglich gewesen, nicht bloß die Aufnahmen einer altbekannten Scheibe, nämlich `Live At Last`, mit neu aufgetauchten Mitschnitten auf CD 2 zu einer Veröffentlichung zu verbinden. Die Fans wären erheblich dankbarer gewesen, wenn man Ihnen komplette Konzerte vorgesetzt hätte. Und selbst `Live At Last` wurde ja aus zwei Konzerten zusammengesetzt. Wie lange will man denn noch warten, bis diese Shows komplett einer interessierten Fangemeinde zugänglich gemacht werden. Sind das immer nur Entscheidungen der Plattenfirmen, oder fragt man dich auch mal?

„Das ist hauptsächlich Sache der Plattenfirma. Die planen irgendetwas und veröffentlichen es dann. Wir Musiker erfahren das meist in letzter Minute. Du kennst ja die Politik der Plattenfirmen.“

Eigentümlich ist es dennoch, wenn – und das ist ja nicht nur in der Musikindustrie so – die Kreativen, ohne die es überhaupt nichts zu vermarkten gäbe, völlig negiert werden.

„Exakt. Aber das passiert eben, und es ist eigentlich eine ganz alte Geschichte, die den Leuten immer neu widerfährt.“

Aber es muß doch im Interesse der Betroffenen liegen, daß solche Verfahrensweisen bekannt und verändert werden.

„Hahaha, so müßte es sein“, lacht der Gitarrist freundlich-nachsichtig, als wolle er sagen, die Zeit, in der Märchen wahr werden, sei noch nicht gekommen. „Allerdings weiß ich über dieses Album gar nichts. Mag sein, daß Sharon irgendwie beteiligt war, aber das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich mein’, wenn wir auf Tour sind oder auch sonst an unseren Sachen arbeiten, dann macht man einfach sein Ding und überläßt alles andere dem Management.“

Kommen wir zu einem anderen Feld, auf das du ebenfalls nur wenig bis gar keinen Einfluß hast: In den vergangenen Jahren erschienen ziemlich viele Bücher über BLACK SABBATH in ihren verschiedenen Perioden. Welche Themen hätten Deiner Meinung nach darin unbedingt behandelt werden müssen?

„Ich habe eine ganze Menge von diesen Büchern gesehen, aber es fällt mir schwer, diese Frage aus dem Stand zu beantworten. Das Hauptproblem ist, daß die meisten Autoren Geschichten erzählen, ohne sich die Mühe zu machen, mal bei mir nachzufragen. Doch die Leser mögen diese Bücher, obwohl die Darstellungen in machen Fällen an Ketzerei grenzen. Das verstehe ich dann wirklich nicht. Da werden die Entwicklungen vom ersten Tag an erzählt, die sich einfach so nicht abgespielt haben. Und ich war nun wirklich seit dem Beginn dabei. Vielleicht habe ich aus diesem Grund begonnen, selbst ein Buch zu schreiben, um auch einige Dinge zurechtzurücken. Aber es wird garantiert noch über ein Jahr dauern, bis es fertig ist.“

Wenn man dich nach dem Anfang fragt, zum Beispiel nach den ersten zehn Jahren, kannst du dich noch an viele Einzelheiten erinnern?

„Niemand kann sich an alles erinnern, nicht einmal die Schlauesten. Aber die wichtigen Dinge fallen mir schon ein. Ich weiß sogar mehr aus bestimmten Tagen unserer Anfangszeit als von der vorigen Woche. Genauso geht es Ozzy. Wir unterhalten uns häufig über die alten Zeiten, und er kommt selbst mit einer Fülle von Geschichten an, die ich nicht mehr im Sinn hatte. Aber dann dämmert auch bei mir die Erinnerung herauf, und plötzlich ist es, als wäre all das erst gestern geschehen. Aber es war ja auch ein wichtiger Abschnitt unseres Lebens, da bleiben tiefe Eindrücke zurück.“

Sicher wird es auf der kommenden Tournee mit HEAVEN & HELL auch wieder viele erinnernswerte Ereignisse geben. Aber erst einmal muß sie ja beginnen. Wie wird diese Tour, mal abgesehen von den Auftritten, für dich ablaufen? Wirst du dir mehr Zeit nehmen, um Autogramme zu geben und dich umzusehen, was sonst noch so abläuft? Und gibt es dann auch Änderungen im Vergleich zu Deinen Shows mit BLACK SABBATH im Jahr 2005?

„Was konkret meinst du denn mit dieser Frage?“

Ganz einfach, auf der gesamten Tour war es den Fotografen nicht gestattet, ihrem ureigensten Job nachzugehen.

„Ach, das meinst du. Da kann ich dich beruhigen. Die bald anlaufende Tour wird erheblich entspannter vonstatten gehen. Selbstverständlich gibt es für die Journalisten auch Fotopässe. Über weitere Interviewgelegenheiten kann ich naturgemäß noch nichts sagen, da läuft ja auch viel im Vorfeld. Aber eins ist sicher: Ich gebe bestimmt mehr Autogramme als jemals vorher auf irgendeiner Konzertreise. Und ich möchte mich auch mit vielen Fans unterhalten. Schließlich interessiert mich ihre Meinung zu fast 40 Jahren BLACK SABBATH.“

Was hat sich denn aus deiner Sicht mit den Jahren verändert, wenn du zum Beispiel den BLACK SABBATH-Auftritt in Dortmund zum Auftakt der Deutschland-Shows am 9. Juni 2005 und die Show beim California Jam am 6. April 1974 betrachtest?

„In dieser Zeit hat sich so viel verändert, daß man es kaum noch vergleichen kann, angefangen von der Verstärkertechnik bis hin zu den organisatorischen Details. Früher wurde zum Beispiel mit einem Verantwortlichen in jedem Land verhandelt, um die Auftrittsdaten zu koordinieren und so weiter. Logischerweise geht es heute auch nicht ohne die Leute vor Ort. Aber es gibt für jede Tournee von größeren Acts einen Hauptverantwortlichen, der sitzt meist in den USA, nämlich in Los Angeles. Damit wird eine große Last von dem jeweiligen Management genommen. Diese Verfahrensweise kommt aber den Künstlern ebenso zugute.“

Damit dürften wahrscheinlich auch die Garantiesummen gemeint sein, die heutzutage für bedeutende Acts erheblich höher ausfallen als man sich das vor 30 Jahren erträumt hätte. Nur darf man bei HEAVEN & HELL vor jeder Tour davon ausgehen, daß es sich für Tony, Ronnie, Geezer und Vinny um wohlverdientes Geld handelt.

JöSchu

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